Austrittserklärung RKOB

Note: ‘text eingefügt’ bedeutet, das dies ein nachträgliches Kommentar ist

Was geht hier ab?

In diesem Blogeintrag geht es um meinen Austritt aus der RKOB (Revolutionär-Kommunistische Organisation Befreiung) und damit auch aus Red*Revolution. Beides sind anti-imperialistische Organisationen, die hauptsächlich in Wien aktiv sind.

Die Hintergründe warum ich Mitglied in diesen Organisationen war und warum ich nun austrete sollen durch diesen Brief dokumentiert und offen einsehbar sein .

Zurück zum Anfang

2012 bin ich wieder nach Wien gezogen und genoß das Stadtleben und die vielen Möglichkeiten, die mir nun offen standen. Dazu gehörte auch politisch aktiv zu werden und etwas gegen die Missstände, die ich in unserer Gesellschaft damals sah (und noch immer sehe, bloß mit einem reflektierteren Verständnis) zu machen. Obwohl ich schon etwas recherchiert habe und mir diverse Gruppen wie die SJ bekannt waren bin ich erstmal noch zu keinen Treffen dieser Organisationen gegangen. Im Herbst 2012 war gerade das Thema „Zentralmatura“ aktuell und es wurde für eine Demonstration im Dezember von Seiten der Schülerunion mobilisiert, die dann auf den letzten Drücker einen Rückzieher machte. Die Demonstration fand trotzdem statt und ich bin ebenfalls hingegangen.

Am Ende der Demonstration rief die Jugendorganisation Red*Revolution, die Mitorganisator des Protestes waren, zu einem Treffen in ihrem Lokal auf, dem ich spontan gefolgt bin. Ziemlich bald danach wurde ich Mitglied unter folgenden Kriterien: Antikapitalismus, Antirassismus, Antisexismus, Antihomophobie, Antiimperialismus und Sozialismus durch Revolution. Die Punkte wurden mit einfachen Beispielen dargelegt, wo nicht klar war worum es geht (zB Antiimp) und danach war ich (und einige andere) bereits ‘Red*Revolution’ Mitglied.

Aktivismus und Alltag

Ein Teil meiner Aktivitäten in der RKOB hat sich um die Organisierung von kleineren Aktionen (Infotische etc) und das Schreiben von Artikel gedreht. Daneben habe ich an den Treffen, Schulungen, Demonstrationen und besagten Aktionen teilgenommen und vor Ort mitgeholfen. Das erwähne ich deshalb, weil ich besonders an der „Inhaltsvermittlung“ und den Hierarchien innerhalb der Organisation Kritik übe. Bei Schulungen und auch bei Vorträgen im Laufe von normalen Treffen gab (gibt) es ein klares Schema: eine*r der ideologisch auf „Parteilinie“ ist erklärt den anderen die Positionen der Organisation. Diese Positionen sind oft schon in Stein gemeiselt und ein offener Diskurs findet nicht statt, da diese auf den Theorien von Marx, Engels, Lenin und Trotzki (um die bekanntesten und wichtigsten zu nennen) fußen. Das in Zusammenhang mit einer / DER objektiven Realität hat dann unweigerlich eben jene Positionen zur Folge.

Das Problem dabei ist, dass wir alle Menschen sind und die Theorien einiger dieser Menschen als nahezu unfehlbare Grundlage jeglichen Handelns zu sehen ist an sich schon kritisch zu hinterfragen. Dazu kommt jedoch noch, dass das Wahrnehmen einer objektiven Realität nahezu unmachbar ist (auf dieser beruhen jedoch die Schlussfolgerungen). Es wird ausgeblendet, dass auch andere Ideen funktionieren (können), wenn sie nicht zur Agenda passen und gegebenenfalls wird auf historische Ereignisse aufmerksam gemacht, die jeden Zweifel aus dem Weg räumen soll(t)en.

Die Vorgehensweise im Vermitteln von Positionen hat sich für mich auch wieder sehr klar bei den veröffentlichten Dokumenten in Verbindung mit den SMS-Aussendungen zur Bundespräsidenten-Stichwahl für den 24.April 2016 gezeigt. Anstatt in den offenen Dialog mit der gesamten Mtigliedschaft zu gehen und zu diskutieren, warum welche*r Kanditat*in wählbar ist und welche Taktik sinnvoll ist oder nicht, arbeiten einige wenige eine feste Wahlstrategie aus die den Mitgliedern anschließend erklärt wird (wobei auch auf Fragen eingegangen wird). Bei dieser Wahl wurden „alle klassenbewussten Arbeiter und Arbeiterinnen“ dazu aufgerufen weiß zu wählen, also ungültig. Nachdem die Wahlergebnisse feststanden folgte eine Aussendung in der unter anderem steht „Ruht euch heute aus! Wir werden in den nächsten Tagen eine Stellungnahme dazu herausgeben“ – es wird nicht einmal versucht gemeinsam die Wahlen zu analysieren und daraufhin eine Resolution zu veröffentlichen die von der Mitgliedschaft erarbeitet wurde – stattdessen schreibt ein eingefleischter Kader der Organisation (wahrscheinlich in Absprache mit der Zeitungsredaktion) allen Mitglieder*innen vor, wie sie über diese Wahlen zu denken haben und wahrscheinlich wird auch gleich klargestellt wie bei den entscheidenden Wahlen am 22.Mai vorgegangen wird.

Auch wenn ich diesbezüglich keine allgemeingültigen Aussagen treffen kann habe ich in den Eindruck bekommen, dass eine solche Art von „Kommunikation“ auch in anderen kommunistischen Organisationen praktiziert wird. Es sollte eine offene Diskussion stattfinden wie die „Meinungsfindung“ innerhalb von linken Kreisen gestaltet werden kann, die trotzdem ein produktives Arbeiten ermöglicht und zeitgemäß schnelle Reaktionen auf aktuelle Ereignisse zulässt ohne starr mehrere Jahrzehnte alte Thesen auf die aktuelle Zeit umzulegen.

‘Natürlich war auch ich selbst Teil dieser Hierachien und habe mich in sie eingegliedert. Somit übe ich auch Kritik an mir selbst und versuche so jetzt gut ich kann selbst für einen möglichst demokratischen und offnen Entscheidungsprozess zu sorgen / dabei mitzuhelfen einen solchen aufrechtzuerhalten und auszubauen’

Diesbezüglich möchte ich auch Kritik am Aktionsschwerpunkt der Organisation anbringen, wobei dieser Punkt sehr subjektiv von meinen Erwartungen und Vorstellungen von Aktivismus auf der Straße geprägt ist. Ich bin der Meinung, dass eine Konzentration auf kleinbürgerlich-geprägte Migrantencommunitys nicht langfristig zielführend ist, besonders wenn eine ausformulierte Kritik an den Schwächen dieser nur sehr halbherzig umgesetzt wird. Selten geht sie über die Beurteilung von „kleinbürgerlich“, „islamisch-geprägt“, etc. hinaus und verpasst es verschiedene *ismen, die in dieser Community reproduziert werden zur Sprache zu bringen.

Auch innerhalb der Organisation werden etwaige *ismen wie zum Beispiel Ableismus und Antisexismus/Queerfeindlichkeit in den eigenen Reihen nur sehr unzureichend thematisiert und besprochen. Abseits vom klassischen Sexismus  ‘und Homo,- als auch Transfeindlichkeit’ werden Inhalte zumeist nicht als diskussionsbedürftig gesehen da die Probleme von benachteiligten und queeren Menschen nicht als solche erkannt / akzeptiert werden. ‘Ich möchte klarstellen das viele Aktivist*innen in der RKOB sehr wohl bei Homo,- und Transfeindlichkeit aktiv eingreifen und sich dagegen stellen – dort, wo sie diese Angriffe sehen. Oftmals beschränkt sich dieses Verständnis von Diskriminierung  auf “offensichtliches” wie Beschimpfungen oder körperliche Angriffe.’

Zum Teil werden ismen bei Migranten besonders einfach „ignoriert“ und weniger offen angesprochen, was sich besonders in den Vorfeldorganisationen und in Zusammenarbeit mit diversen Communitys zeigt, stattdessen wird auf den proletarischen und überausgebeuteten Status von Migranten hingewiesen und besondere Nachsicht gefordert. Es wird darauf gepocht die Leute dort abzuholen, wo sie sich gerade ideologisch von ihrem Verständnis her befinden, allerdings nicht wenn es um politische Forderungen á la Sozialismus geht – hier werden dann doch eher Übergangsforderungen bevorzugt, die ein sehr hohes Klassenbewusstsein der Leser*innen erfordern.

Politische Inhalte – Israel und Nahostpolitik

Eine der wohl umstrittensten Inhalte der RKOB sind die Positionen zu Israel. In dieser Frage nimmt sie eine anti-imperialistische Haltung ein und fordert die Zerschlagung des „zionistischen Apartheitsstaates“ und der Gründung eines sozialistischen Palästinas, in dem alle arabischen Menschen gleichberechtigt und uneingeschränkt mit allen Jüdinnen* und Juden* leben können. Die Selbstbezeichnung der Organisation unterscheidet dabei zwischen antizionistisch und antisemitisch und will mit letzteren nichts zu tun haben.

Neben der Frage wie die Aberkennung von Israels Existenzrecht zu beurteilen ist und dass die Hamas als praktischer Bündnispartner in Betracht gezogen wird (und das ohne gleichzeitiger scharf ausformulierter Kritik an den Inhalten und Zielen dieser Gruppe) springt auch die Polemik und Propaganda der RKOB stark ins Auge. Unter anderem „Kindermörder Israel“ wird dabei als Parole, der durch die Angriffe von Israel – als Reaktion auf die Hamas – verstorbenen palästinensischen Kindern verwendet und als unbedenklich angesehen, während damit die Klischees und jahrhundertealten Vorurteile gegen Jüdinnen* und Juden* bedient werden und die RKOB damit unabhängig von der Intention klar antisemitische Denkmuster reproduziert.

‘Ich möchte an keiner Stelle andeuten das innerhalb der Organisation persönlicher Hass gegen Jüdinnen* und Juden* bestehen. Alle Teile meiner Kritik bezieht sich dabei auf offizielle Artikel die über das Internet einsehbar sind.’

Auch wenn ich mich als ehemaliges Mitglied von allen Positionen der RKOB in dieser Frage klar distanziere, ändert das nichts daran, dass auch ich „Kindermörder Israel“ mitgerufen und im Sinne der Organisationslinie Diskussionen geführt habe. Diesbezüglich hilft nur ein offener Diskurs über antisemitische Positionen und Verhaltensweisen innerhalb der Linken und wie es möglich ist dagegen vorzugehen ohne Aussteiger*innen ‘lebenslang auszuschließen oder’ die Antisemitismus-Keule entgegen zu halten. Gleichzeitig kann ich nicht von mir behaupten bereits eine ausgereifte Gegenposition zu diesem Thema zu haben, da ich dazu erst noch diverse Literatur und Meinungen zu der gesamten Israelproblematik lesen möchte.

Grundsätzlich sehe ich mich nicht in der Position Jüdinnen* und Juden* die Möglichkeit der freien Religionsausübung, die momentan am ehesten durch einen eigenen Staat möglich ist, zu untersagen, indem ich die Auflösung dieses Staates als legitime Forderung einstufe. Besonders durch die steigenden Vorfälle antisemitischer Übergriffe, die wir in Europa beobachten müssen und dadurch, dass es wieder zunehmend gefährlicher wird für Jüdinnen* und Juden* sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen, ist diese Möglichkeit für ein sicheres Leben nach wie vor notwendig. Damit möchte ich nicht die Politik Israels gutheißen – diese zu kritisieren muss im Rahmen eines reflektierten Verständnisses von antisemitischen Microaggressionen und Denkmuster, die in unserer Gesellschaft leider weit verbreitet sind, möglich sein.

Was bleibt

Nachdem ich nun meine Kritik formuliert habe und aus der Organisation austrete möchte ich weiterhin politisch aktiv bleiben. Aktuell liegt mein Themenschwerpunkt auf netzpolitischen Themen und Antifaschismus. Ob ich einer anderen Gruppe beitrete oder innerhalb eines größeren Bündnisses arbeite wird sich noch zeigen. Ich bin auf jeden Fall gespannt wohin die Reise geht.

Dieser Text steht unter der CC-BY-ND, Infos zur CC-Lizenz: https://antifahnen.wordpress.com/2016/05/28/freie-lizenzen-fur-freie-inhalte/